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Allgemein US-Comics

Ted Naifeh und weibliche Comiccharaktere

In vielen Ländern der Welt haben früher sehr viele Kinder sehr gerne Comichefte gelesen, Erwachsene auch.
In den USA gibt es den Comicheftemarkt, der zu einem großen Teil in den Comic Läden statt findet.
In Deutschland gibt es auch Comic Läden.

Ein neues Comicgebiet mit bisher nicht dagewesenen Comictiteln braucht einen Präsentationsplatz, der in Comic Läden erst geschaffen und etabliert werden muss.

Courtney Crumrin erforscht das alte Anwesen ihres Onkels.

Courtney Crumrin von Ted Naifeh ist ein ursprünglich schwarzweißer Comic aus den USA, der seit 2004 auch auf deutsch erscheint. Der Kleinverlag Eidalon bringt damals die Serie als Taschenbücher raus, dessen ersten beiden Bände später ausverkauft und vergriffen sind.
Zu der Zeit hat es Courtney Crumrin zwar schwer, einen Platz zu finden. Aber Comic und Leser finden sich dennoch.

Comichändler wissen oft nicht, wohin der Titel gehört.
Er ist schwarzweiß, im mangaähnlichen Format und sowohl kein frankobelgischer Comic als auch kein Superheldencomic. Und klassische Fantasyleser wollen bei dem Erscheinungsformat auch nicht reinschauen.
Band 1 kommt 2004 raus, Band 2 folgt 2006 sowie auch Band 3 namens Courtney Crumrin im Königreich des Zwielichts. In diesen Jahren und darüber hinaus muss sich erst das Mischgenre mainstreamtaugliche Indiecomics für jedes Alter etablieren. Solange haben sie keine Eigenständigkeit und stehen oft einfach irgendwo mit bei den Manga, obwohl die meisten Mangaleser darin nichts interessantes sehen, weil es kein Manga ist.*

In den USA erscheinen die meisten Comicgeschichten in Fortsetzungskapiteln als Heftreihe, die sich später als Zweitvermarktung zu Sammelbänden zusammen fassen lassen. Die Sammelbände sind Softcoverpaperbacks oder manchmal auch Hardcoverausgaben.
In den USA entwickelt es sich zum Teil in die Richtung, dass mainstreamtaugliche Indiecomics für jedes Alter als Paperbacks einen Platz in Buchhandlungen finden. Die dortigen Leserinnen und Leser entdecken dadurch, dass Comics nicht nur Superhelden oder Schund sein müssen sondern auch „Graphic Novels“ für jedes Alter sein können.

In den USA bringt seit 2002 der FreeComicBookDay den teils verloren gegangen Comiclesern das Gefühl zurück, dass es einfach was schönes ist, sich ein Comicheft zu schnappen und darin zu blättern.
Seit 2010 gibt es auch in Deutschland den GratisComicTag. An diesem Tag werden Comichefte von vielen verschiedenen Verlagen meist mit kompletten Stories produziert und als Aktion des Comichandels in vielen Läden kostenlos an Kunden verteilt. Das wird insgesamt sehr gut angenommen. Der GratisComicTag ist einer der umsatzstärksten Tage des Comichandels.
Dadurch wird unter anderem auch Courtney Crumrin 2010 als GratisComicTag-Heft verteilt.
Am GratisComicTag kommen auch Eltern mit ihren Kindern in die Läden, und Kinder freuen sich über coole Superhelden und bekannte Comicgesichter von den Simpsons oder von Bibi Blocksberg – aber auch über Neuentdeckungen unter den anderen tollen Kindercomics.

Ted Naifeh hat sich als ein Comickünstler von interessanten, spannenden Kindercomics etabliert, die durchaus auch von Erwachsenen geschätzt werden.
Auch seine dreiteilige Comicbuchreihe Polly & die Piraten erscheint zwischen 2008 und 2009 bei Eidalon, dort im Label comikat, unter dem auch Jimmy Gownleys Amelia Rules zwischen 2007 und 2009 erscheint.
Amelia Ist Die Größte erscheint 2010 auch als GratisComicTag-Heft.
2010 bringt Eidalon im Label Modern Tales auch nochmal eine wunderschöne Hardcoverausgabe der Courtney Crumrin Comics raus, wieder in schwarzweiß, die ersten drei Bände so in Neuauflage, den vierten als deutsche Erstveröffentlichung. Er trägt den Titel Courtney Crumrin und die Ungeheuer der alten Welt und erzählt von den Schrecken der deutschen Wälder.
Heutzutage erscheint Courtney Crumrin in Farbe bei Dani Books.

Die Farbausgabe des Verlags Dani Books.

2011 gibt es noch von Polly und die Piraten eine GratisComicTag-Ausgabe.

Dann hört man leider nichts mehr vom Independantverlag Eidalon, der einst 2000 mit Ninja High School und 2001 mit Gold Digger startete und 2008 mit dem Erwachsenentitel Die Wasteland-Saga von Autor Antony Johnston und Zeichner Christopher Mitten ein Highlight ablieferte.

Wie immer mehr amerikanische Leser in den 1970ern in den Undergroundcomics von Robert Crumb etwas neues fanden, entdeckten sie ab den 1980ern gerne neue Ideen und herausragendes Storytelling in Independantcomictiteln wie Love & Rockets von den Hernandez Brothers, Elfquest von Wendy und Richard Pini oder Cerebus von Dave Sim und viele weitere.
In den 1990ern entstand über 13 Jahre hinweg das klassische Fantasyfunnyepos Bone. In den 2010er entwickelte sich allgemein das Storytelling unauffällig auf eine nächste Stufe, was Image ab 2012 enorm voran brachte.
Wenn die großen Superhelden-Verlage keine interessanten neuen Impulse setzen können, weil sie in ihrem Universum gefangen sind, finden die Leser den nächsten besonderen Autor im Independantbereich, ehe dieser Jahre später von größeren Verlagen angelockt wird, um für sie zu arbeiten.

Im 2000er Jahrzehnt gibt es längst nicht nur Ted Naifeh und Eidalon. Was ist an den zwei Namen überhaupt erwähnenswert?

In diesem Jahrzehnt beginnt der Trend, dass sich jüngere weibliche Hauptcharaktere im Comic nicht mehr verdrängen lassen. Denn Courtney Crumrin, Polly, Amelia und weitere Figuren aus dem Eidalonuniversum sind alles Mädchen, die eigenständig ihre Abenteuer bestehen.
Ted Naifeh hat noch weitere sehr schöne Comics geschaffen, in denen selbstbestimmte zumeist weibliche Charaktere durch Alltags- und Fantasywelten müssen, wenn auch die Selbstbestimmung oft der schwerste Weg ist.
Besonders gut hat mir Princess Ugg gefallen. Ülga ist die Tochter eines wilden Kriegerkönigs, damit eine Prinzessin. Deshalb besucht sie die Prinzessinnenschule und eckt als „Wilde“ erst einmal bei den anderen sanften, giftigen Seelchen an und ist schnell als Prinzessin Ugg abgestempelt. Obwohl der Comic nie auf deutsch erschienen ist, wurde er ach mal auf comic.de lobend erwähnt (einstiger Link war: https://www.comic.de/2015/09/princess-ugg-die-prinzessin-mit-der-axt/).
Die Spiderwick-Autorin Holly Black hat 2009 auch eine schöne Fantasy-Comicreihe geschrieben, die Ted Naifeh gezeichnet hat. Dazu sind 2009 – 2011 sogar drei Softcoverbände bei Random House im cbt Verlag auf deutsch erschienen. Hat aber kaum ein Comicleser wahr genommen. (Der dritte Band ist heutzutage schwer zu bekommen.)

Hierzulande kristalliert sich nun seit ein paar Jahren langsam der Verlegertrend heraus, dass es neben erwachsenen Graphic Novels auch einen Platz für Kindercomics geben sollte – in Buchhandlungen und in Comic Läden.
Ich finde es einen schönen Trend.

Die sehr erfolgreiche Disney Mädchencomicheftreihe W.i.t.c.h. hat auch das 2000er Jahrzehnt von 2001 bis 2012 begleitet.
Wendy das andere große Mädchencomicmagazin von Ehapa gibt es schon seit 1986 und erscheint bis heute.

Und durch Verlage wie Reprodukt, Dani Books, Adrian, Kibitz oder Splitters Label toonfish und andere gesellen sich heute stets noch weitere schön aufgemachte Kindercomicbücher dazu. Da sind auch schöne Sachen für Mädchen dabei.
So kann der Comicberater inzwischen schon lange nicht mehr nur auf Yoko Tsuno von Roger Leloup, Aria von Michel Weyland und Natascha von Francois Walthéry oder auf Sillage, Tomb Raider oder Witchblade zurückgreifen, um ein paar starke Damen in der Comicwelt aufzuzeigen.
Wenn dem Berater spontan dennoch nichts einfällt, möge er die interessierte Leserschaft in die Mangaabteilung schicken, dort gibt es neben Sailor Moon noch unendlich mehr zu entdecken.

Die weiblichen Kreativen selbst finden hier nach all den Worten so gut wie keine Erwähnung? Aber es gibt sie! Es gibt sie schon immer* meist unauffällig im Hintergrund (zum Beispiel als Ghostzeichner).
Und heutzutage treten sie in den Vordergrund. Nicht nur im Manga-Bereich, nicht nur als Aushängeschild bei großen US-Verlagen, nicht nur als Quote, nicht nur passiv. Sondern auch weil sie auch Comics schaffen möchten. Und das machen sie oft sehr gut.

Léger Légende

*durch das Internet konnte man dennoch leicht darauf aufmerksam werden.
**immer = sehr lange 😉